Es war einfach zuviel: Erst Ogawa, dann Sikkim - ihr schwirrte das Hirn
vor lauter Fragen, auf die sie keine Antworten fand. Darum ging sie zu
ihrem Observer.
Cheroux erwartete sie bereits. Er saß bei offener Tür im Sprechzimmer
an seinem Arbeitstisch und machte sich Notizen - mit einem Schreibstift,
auf einer Folie.
Er blickte auf.
Drehte - ohne hinzusehen - das Blatt um, so daß die beschriebene
Seite nach unten zu liegen kam, schob es an den Rand des Tisches und legte
den Stift darauf.
Wandte sich dann Jonna zu.
Ihr schien etwas Ungewohntes in der Art zu liegen, wie er sich gab, etwas
Demonstratives:
Sieh her, ich schiebe alles andere beiseite, um
mich ganz und gar deinen Problemen widmen zu können. Ich hoffe, du
weißt das zu würdigen!
Er wartete, schweigend, regungslos, bis sie die Tür zum Vorraum hinter
sich geschlossen und ihm gegenüber Platz genommen hatte, und sagte
dann:
"Niemand hat die Absicht, dir die Schuld an Sikkims Tod zu geben."
Punkt und aus. Kein Wort der Begrüßung, keine Frage nach Jonnas
Befinden, nichts. Nur diese höchst eigenartige Betonung eines Tatbestands,
der außerhalb jeder Diskussion lag.
Jonna war im ersten Augenblick so verblüfft, daß es ihr glatt
die Sprache verschlug.
"Wie nett!" sagte sie sarkastisch, als sie sich wieder gefaßt
hatte. "Ich hatte auch gar nicht die Absicht, mich schuldig zu fühlen.
Ich habe Sikkim ja kaum angerührt."
"Um so besser. Dann können wir das wohl zu den Akten legen."
Jonna starrte ihn an.
"Jetzt aber mal langsam!" sagte sie. "So einfach können
wir über diese Sache nicht hinweggehen!"
"Warum nicht?"
Die Worte kamen schnell und kurz - nicht wie eine Frage, sondern eher
wie ein Schlag.
Worauf hat er es bloß abgesehen? Will er mich
provozieren?
Das hatte er früher gelegentlich getan, um sie aus der Reserve zu
locken, aber eigentlich hatte sie angenommen, daß sie diese Phase
schon seit langem hinter sich hatten.
"Ich habe Sikkim seit vielen Jahren gekannt", sagte sie gedehnt.
"Ich würde gerne wissen, was mit ihm passiert ist. Das ist doch
wohl verständlich, oder nicht?"
"Er ist tot", sagte Cheroux. "Da gibt es nichts mehr zu
bereden. Sonst noch was?"
Aber Jonna war nicht gewillt, sich so schnell geschlagen zu geben.
"Was hat ihn umgebracht?" fragte sie.
Der Observer lehnte sich zurück und verschränkte die Arme vor
der Brust.
"Der Stadtkoller."
"Wer sagt das?"
"Der Saniscan, in dem er gestorben ist."
"Und worauf stützt sich diese Diagnose?"
"Keine Ahnung - da mußt du den Sani fragen!"
Aber die Sanis wußten über den Stadtkoller genauso viel wie
alle anderen: nichts.
"Der Stadtkoller würde erklären, warum Sikkim sich so merkwürdig
verhalten hat", sagte sie gedehnt. "Aber nicht, weshalb er gestorben
ist."
"Sikkim stand die ganze Zeit hindurch in der offenen Schleuse. Mag
sein, er war so weggetreten, daß er sich dessen gar nicht bewußt
war. Dann hast du ihn angesprochen, er sah, was los war, und das hat ihn
umgehauen."
Jonna setzte zu einem Einwand an, aber Cheroux ließ sie nicht zu
Wort kommen.
"In Verbindung mit dem Stadtkoller kann ein solcher Schock durchaus
tödlich sein", behauptete er.
"Das ist lächerlich! Sikkim war ein Protektor! Er hat oft genug
in offenen Schleusen gestanden."
"Seine Immunität war fast verflogen."
"Das wäre ein Argument, wenn es der Mangel an Immunität
wäre, an dem er gestorben ist."
"Vielleicht war es der Mangel an Immunität."
"Willst du mich für dumm verkaufen?" fragte Jonna wütend.
"Er hat kein einziges der einschlägigen Symptome gezeigt!"
"In Verbindung mit dem Stadtkoller ist so ziemlich alles möglich."
Jonna wartete auf weitere Erklärungen, aber es kam nichts. Allmählich
wurde ihr die Sache zu dumm.
"Ist das alles, was dir dazu einfällt?" fragte sie scharf.
Cheroux griff nach dem Stift.
Legte ihn wieder weg.
Hatte er sich etwas aufschreiben wollen? Wenn ja - was?
Sie blickte auf das Blatt Papier, das am Tischrand lag, die leere Rückseite
nach oben gekehrt. Sie hätte zu gerne gewußt, was auf der Voderseite
stand!
Er rieb sich die Augen. Er war müde, das sah man ihm an.
"Sikkim war nicht mein Klient", sagte er seufzend. "Es
ist Tralman, der sich um diese Dinge kümmern muß. Wir haben
kein Recht, uns da einzumischen!"
"Aber Tralman will nichts unternehmen,
und er hat ja auch eine gute Ausrede. Er ist bis auf weiteres außer
Gefecht gesetzt. Wenn wir warten, bis er wieder einsatzfähig ist,
wird es zu spät sein - bis dahin ist Sikkim längst im nächsten
Bio-Tank verschwunden, und wir werden niemals erfahren, was mit ihm passiert
ist!"
"Er ist untersucht worden."
"Ja, von einem Saniscan. Und dessen Diagnose ist zumindest in diesem
Fall einigermaßen zweifelhaft. Ganz abgesehen von der Therapie:
Was hat er mit Sikkim angestellt? Wie hat er ihn behandelt?"
"Das übliche, nehme ich an", sagte Cheroux, aber so ganz
wohl schien er sich dabei nicht zu fühlen.
Die Saniscans pflegten Koller-Patienten in den Tiefschlaf zu versetzen.
Das hinderte die Kranken zumindest daran, unkontrollierbar in der Stadt
herumzutoben. Manches deutete darauf hin, daß diese Therapie sogar
erfolgreich sein konnte, vorausgesetzt, man schaffte es, einen Patienten
gleich in der ersten Phase der Erkrankung zu erwischen. Nur war es leider
sehr schwierig, den Stadtkoller zu einem so frühen Zeitpunkt einigermaßen
sicher zu diagnostizieren. Im fortgeschrittenen Stadium gab es ohnehin
keine Hoffnung mehr: Die Intensivpflege im Innern eines Saniscans konnte
das Ende hinauszögern, aber nicht verhindern.
Aber hätte der Tiefschlaf Sikkim nicht wenigstens noch ein paar Stunden
am Leben halten müssen?
"Der Stadtkoller", sagte Jonna. "ist eine Krankheit, die
einen Menschen nicht von einer Sekunde auf die andere befällt. Sie
baut sich auf, Schritt für Schritt. Das dauert normalerweise mehrere
Tage. Und das hätte Tralman bemerken müssen!"
"Es kann Tage dauern. Es kann aber auch
sehr viel schneller gehen. Und ein Observer ist schließlich auch
nur ein Mensch."
Cheroux lehnte sich zurück und sah seine Klientin nachdenklich an.
"Worauf willst du eigentlich hinaus?" fragte er. "Gegen
wen richtet sich dein Mißtrauen? Gegen Tralman?"
Jonna dachte an Sikkim - an die Angst, die sie in seinen Augen gesehen
hatte, an die hastig geflüsterte Warnung.
An das Zischen der Injektionspistole.
Sie werden die ganze Stadt zerstören. Du mußt sie aufhalten.
Du mußt dorthin gehen und ihnen...
...ihnen Einhalt gebieten? Ihnen etwas sagen, etwas geben, etwas nehmen?
Wohin sollte sie gehen? Wer waren sie,
und wo konnte man sie finden? Gehörte
Tralman zu ihnen? War das der Grund dafür,
daß Sikkim seinen Observer angegriffen hatte? Oder war das alles
nur das Hirngespinst eines todkranken Irren?
"Tralman", sagte Jonna nachdenklich, "hat nicht versucht,
mit Sikkim zu sprechen. Sikkim seinerseits hat nicht versucht, Kontakt
zu Tralman aufzunehmen. Und als Sikkim versucht hat, mit mir
zu sprechen, mir etwas mitzuteilen, hat Tralman
ihn betäubt. Weißt du, wie das für mich aussieht? Als
wollte Tralman seinen Klienten so schnell wie möglich zum Schweigen
bringen!"
Sie beobachtete Cheroux, während sie sprach.
Er sah auf seine Hände. Dann auf den Stift, der auf dem Blatt am
Rand des Tisches lag.
Jonna vermutete, daß er es absichtlich vermied, seine Klientin anzusehen.
Hätte er es getan, so hätte er zur Kenntnis nehmen müssen,
daß Jonna ernstlich beunruhigt war. Möglicherweise sträubte
er sich gegen diese Erkenntnis.
Sein Verhalten verunsicherte sie.
Und es machte sie wütend.
"Ich hatte den Eindruck, daß Sikkim unter Drogen stand",
sagte sie. "Du hättest ihn sehen müssen..."
"Ich habe ihn gesehen!" fiel Cheroux
ihr ins Wort. "Er wirkte ziemlich weggetreten, und er sah krank aus.
Aber das war auch schon alles. Es gibt keinen Hinweis darauf, daß
Sikkim Drogen genommen hat!"
"Sicher nicht aktiv und aus eigenem Willen - das würde nun wirklich
nicht zu ihm passen! Aber vielleicht hat ihm jemand heimlich etwas untergejubelt."
"Tralman hat bereits erklärt, daß er ihm innerhalb des
fraglichen Zeitraums nichts verabreicht hat."
"Hat Sikkim sich vielleicht von einem Saniscan behandeln lassen?"
"Willst du jetzt etwa auch noch die Saniscans verdächtigen?"
"Nein", sagte Jonna nachdenklich. "Natürlich nicht!"
Denn die Saniscans waren Teil des Systems. Sie standen ständig mit
dem medizinischen Archiv der Stadt in Verbindung, hielten Rücksprache,
wurden vom System selbst gesteuert und kontrolliert. Dementsprechend konnte
man die Kompetenz der Saniscans nicht in Frage stellen, ohne gleichzeitig
an der Funktionsfähigkeit des gesamten Systems zu zweifeln.
"Für mich ist nichts Rätselhaftes an diesem Fall",
sagte Cheroux. "Es ist natürlich äußerst bedauerlich,
daß es diesmal einen von euch Protektoren erwischt hat, aber es
war zu erwarten, daß es früher oder später einmal dazu
kommen würde. Beim Stadtkoller weiß man nie, wen er befallen
oder verschonen wird. Es gibt kein Schema, kein Muster, und demzufolge
kann man auch nicht davon ausgehen, daß Protektoren dagegen gefeit
sind. Sikkim war offiziell noch gar nicht wieder im Einsatz, und Tralman
hatte beim Rat zu tun."
"Gut für Tralman", stellte Jonna sarkastisch fest. "Das
ist doch immerhin etwas, worauf er sich einigermaßen erfolgreich
herausreden kann. Aber wie willst du erklären, daß auch Sikkim
nichts unternommen hat?"
"Jonna, wer am Stadtkoller leidet, verliert sein Urteilsvermögen.
Sikkim konnte nichts unternehmen!"
"Eben das glaube ich nicht! Zumindest in der Anfangsphase muß
es Augenblicke geben, in denen man spürt,
daß etwas Ungewöhnliches in einem vorgeht. Und du weißt
doch: Wir Protektoren sind darauf gedrillt, schnurstracks zu unseren Observern
zu rennen, sobald wir merken, daß etwas mit uns nicht stimmt. Warum
hat Sikkim das nicht getan?"
"Diese Konditionierung ist nicht immer wirksam", erwiderte Cheroux,
und jetzt lag eine gewisse Ungeduld in seiner Stimme, als wüßte
er, daß er sich auf verdammt unsicherem Boden bewegte, dies aber
auf
keinen Fall zugeben wollte. "Hundertprozentige Sicherheit läßt
sich nicht einmal bei einer Maschine erreichen, geschweige denn bei einem
Menschen. Und du darfst nicht vergessen, daß Sikkim sich dem Ende
seiner aktiven Laufbahn näherte. Er befand sich in einer gefährlichen
Phase."
"Dann verstehe ich erst recht nicht, wie Tralman es wagen konnte,
ihn einen ganzen Tag lang aus den Augen zu lassen!"
"Diese Phase kann Wochen dauern, Monate oder sogar Jahre. Alles ist
möglich. Es kann sogar passieren, daß ein Protektor sich wieder
fängt. Kein Observer kann seinen Klienten ständig
beobachten. Und was Tralman betrifft: Ich kenne ihn recht gut. Er ist
ein sehr gewissenhafter Mann. Wenn es Hinweise darauf gegeben hätte,
daß eine Krise bevorstand, hätte er das sicher nicht übersehen.
Die ganze Sache muß völlig überraschend gekommen sein.
Es war einfach ein Zusammentreffen unglücklicher Zufälle - weiter
nichts."
Jonna schwieg.
Der Observer musterte seine Klientin aufmerksam.
"Heute könnte ich mit Engelszungen reden, und trotzdem würde
es mir nicht gelingen, dich zu überzeugen", stellte er fest.
"Aber vergiß bitte eines nicht: Du selbst bist zur Zeit auch
nicht gerade in Bestform. Du hast in der letzten Zeit einiges durchgemacht."
Das war sehr milde ausgedrückt. Vor einem Vierteljahr war Jonnas
Pflegemutter gestorben. Wenig später war ihr ältester Bruder
verunglückt, und dessen Sohn hatte sich umgebracht. Davids Eltern
hatten kurz nacheinander das Zeitliche gesegnet.
"All diese Unglücksfälle der letzten Zeit haben dich ein
bißchen paranoid gemacht", fuhr Cheroux fort. "Die logische
Folge: Du siehst Gespenster. Ich habe das kommen sehen, und ich habe dich
gewarnt - erinnerst du dich daran?"
"Das hat mit dieser Sache hier überhaupt nichts zu tun!"
"Oh, doch, Jonna, das hat es! Du neigst schon seit jeher dazu, dir
die Schuld an allem zu geben, was mit den Menschen in deiner Umgebung
passiert, und seit Davids Tod wird das immer schlimmer."
"Ich habe wegen Sikkim keine Schuldgefühle!"
erwiderte Jonna wütend.
"Du hast Schuldgefühle", behauptete
Cheroux. "Du willst das bloß nicht zugeben - nicht einmal dir
selbst gegenüber. Darum konstruierst du alle möglichen Verdachtsmomente.
Das gibt dir die Möglichkeit, anderen die Schuld in die Schuhe zu
schieben. Tralman, zum Beispiel. Aber der hat das ganz sicher nicht verdient!"
"Ich habe nicht gesagt, daß ich die Schuld bei Tralman suche!"
erklärte Jonna heftig.
"Bei wem dann?"
"Das ist ja eben das Problem: ich weiß es nicht! Ich weiß
nur, daß etwas nicht in Ordnung ist!"
"Und zwar?"
Jonna zögerte.
"Ich glaube, daß Sikkim ermordet wurde", sagte sie schließlich.
Der Observer starrte sie überrascht an.
"Ermordet?" fragte er ungläubig. "Indem man ihm eine
Droge verabreicht hat?"
"Ja."
Cheroux zuckte die Achseln und stand auf.
"Komm mit!" sagte er.
Sie folgte ihm ins Nebenzimmer - hinaus in den nicht abgeschirmten Bereich
der Praxis.
Er aktivierte den Comco und forderte alle Daten an, die das System in
Verbindung mit Sikkims Tod gespeichert hatte. Jonna sah ihm dabei über
die Schulter. Nichts blieb ihr verborgen. Sie konnte den gesamten Dialog
zwischen Cheroux und dem System in Wort und Bild verfolgen. Sie hörte
Cheroux' Fragen, sah die Daten, die Diagramme, die optischen Aufzeichnungen
des Saniscans, der Sikkim behandelt hatte, verfolgte die Auswertung der
Blut- und Gewebeproben, des Mageninhalts, der Luft in Sikkims Lungen,
und sie hörte die Kommentare der medizinischen Speicher, die sich
ergänzten, oft auch überlappten.
"Nun, da haben wir's", sagte Cheroux schließlich und wies
auf den Bildschirm. "Keine Drogen, und auch sonst ist nichts Ungewöhnliches
festzustellen. Bist du jetzt zufrieden?"
Sie schüttelte den Kopf: "Nein."
"Verdammt, was verlangst du denn noch?"
"Ich will wissen, was Sikkim in den letzten Tagen getan hat. Wann
genau hat sich sein Verhalten verändert? Wo hat er sich aufgehalten,
mit wem hat er gesprochen? Hat er sich in einem Saniscan behandeln lassen?
Wenn ja: was hat der Sani mit ihm angestellt?"
"In jedem anderen Fall wären diese Fragen leicht zu beantworten.
Aber bei einem Protektor... Ich glaube nicht, daß das System uns
Zugriff auf sein Gedächtnis gewähren wird."
"Tralman könnte die Daten abrufen!"
"Tralman liegt im Heilschlaf. Nicht einmal ich käme jetzt an
ihn heran."
"Wirst du es versuchen, wenn er wieder wach ist?"
Cheroux betrachtete seine Klientin nachdenklich.
"Du kannst deine Gedanken nicht von dieser Sache lösen, nicht
wahr?" fragte er schließlich.
Jonna schwieg.
"Und solange deine Gedanken um Sikkim kreisen, wirst du nicht fähig
sein, dich auf andere Dinge zu konzentrieren", stellte der Observer
fest. "Mit anderen Worten: Ehe diese Angelegenheit nicht bereinigt
ist, wirst du nicht voll einsatzfähig sein."
"Willst du mich etwa aus dem Rennen nehmen?"
Cheroux seufzte.
"Soweit sind wir noch lange nicht", sagte er. "Wir werden
den Knoten auf andere Weise lösen. Wir werden den Fall aufklären.
Oder besser gesagt: Wir werden feststellen, ob es im Zusammenhang mit
Sikkim überhaupt etwas aufzuklären gibt. Bist du damit einverstanden?"
"Selbstverständlich, ja!"
"Aber eines mußt du mir versprechen: Du wirst das Ergebnis
unserer Untersuchungen akzeptieren - auch dann, wenn es nicht deinen Vorstellungen
entspricht!"
"Wenn es eine faire Untersuchung ist, werde ich das Ergebnis akzeptieren",
versicherte Jonna.
"Gut. Ich werde mich mit Tralman unterhalten, sobald das möglich
ist. Was dich betrifft, so solltest du dich erstmal aufs Ohr legen. Schlaf
dich aus - du hast es nötig. Was hast du morgen vor?"
"Das wirst du mir sicher zu gegebener Zeit mitteilen", erwiderte
Jonna spöttisch.
"Nun, diesmal frage ich dich: Was möchtest
du tun?"
Jonna folgte einer spontanen Eingebung.
"Ich möchte noch einmal nach Shangrilah und von dort aus in
die Alte Stadt", sagte sie gedehnt. "Ogawa hatte eine Karte
bei sich, ein Stück von einem Stadtplan - du erinnerst dich sicher
noch daran. Ein Weg war darauf eingezeichnet. Ich möchte wissen,
was am Ende dieses Weges liegt."
"Hast du es schon über die Archive versucht?"
"Ja. Aber was ich von dort bekomme, ergibt keinen Sinn."
Jonna beobachtete ihren Observer, während sie das sagte. Sie rechnete
damit, daß er ihr ihre wahren Beweggründe auf den Kopf zusagen
würde - sofort und sehr ärgerlich, denn nichts haßte er
mehr, als wenn sie ihm etwas vorzumachen versuchte: natürlich wollte
sie in Wirklichkeit Sikkims Spuren folgen, herausbekommen, was er so weit
im Osten gesucht hatte und warum - zum Geier - Ogawa genau denselben Weg
genommen hatte. Aber seltsamerweise ging Cheroux mit keinem Wort auf diese
Dinge ein.
Hat er das etwa nicht mitgekriegt?
Er
schien mit seinen Gedanken ganz woanders zu sein, und vor allem war er
offenbar sorgfältig bemüht, etwas zu verbergen. Jonna hatte
den Eindruck, daß er erleichtert war, zufrieden, als liefen die
Dinge genau so, wie er sie haben wollte.
Er ist froh, daß ich ihm aus dem Weg bin,
dachte sie betroffen.
Sie fragte sich, was, um alles in der Welt, das zu bedeuten hatte.
"Die Außenwelt wird dir gut tun", sagte Cheroux. "Geh
und lüfte deine Nerven aus!"
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