Marianne Sydow
 
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Fremde Welten
     
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Winterblues

Düstere Zeiten, die Depressionen blühen und gedeihen, allerschwärzeste Stimmung, wohin man auch schaut. Was soll man auch sonst erwarten, so wie die Welt sich zur Zeit darstellt?

Andererseits sage ich mir: es wird allmählich schon fast komisch - wann immer man die Röhre einschaltet, kriegt man so viele potentielle Katastrophen um die Ohren gehauen, daß einem sogar die Lust zum Selbstmord vergeht.
Wozu sich die Mühe machen? Wir kriegen doch alles frei Haus geliefert: AKW-Gaus, die globale Erwärmung, Ebola, Lungenpest, Malaria und ein kunterbuntes Sortiment von Pestilenzen, jetzt auch noch die Schweinegrippe und merkwürdige Impf-Methoden, die ganze Völker zu Labor-Ratten degradieren. Gigantische Magma-Blasen, Ozonlöcher, soziologische Katastrophen, die sprunghaft zunehmende Aggressivität der Jugend. Hinter jedem Busch lauern arabische Heckenschützen, Kindermörder, Mutterschänder, Hammermörder und Smog. Alle möglichen Asteroiden pfeifen an uns vorbei und treffen uns mit tödlicher Sicherheit alle paar 10.000 Jahre, der Ausbruch des galoppierenden Schwachsinns in den Politikerköpfen hat sowieso schon stattgefunden, Westerwelle ist Außenminister - kurz und gut, diese Welt ist sowieso im Arsch.

"Klappen Sie die Tische hoch, legen Sie Gebisse und Brillen ab und gehen Sie in Absturzhaltung: Kopf zwischen die Arschbacken stecken und dabei die Ohren zuhalten!"

Drum laßt uns froh und munter sein - es kommt doch alles, wie es eben kommt.

Siehste, so steht das um die Geschichte!

Und dann komme ich runter in den Heizungskeller, und da hat doch so eine äußerst optimistische Spinnenmama einen riesengroßen Kokon samt noch riesigerem Kinderwiegen-Netz an dem Steuerteil des Kessels angelegt. Und aus irgendeinem Grunde waren die Kinder der Meinung, daß es Zeit zum Schlüpfen wäre: laute optimistische kleine Spinnenkinder. Mitten im Winter.

Bei mir ist also kein Ros entsprungen, sondern ein Spinn. Nein, falsch, jede Menge Spinn. Spinnchen. Babies. Ganz zart, wie aus Glas geblasen. Natürlich bleiben sie nicht so: sie werden groß und schwarz und haarig. Aber noch sind sie niedlich. Später sind sie imposant.

So ist die Natur: sie macht einfach immer weiter, und wenn wir schwachsinnigen Affen aufhören würden, dauernd nach Wegen zu suchen, um die ganze arme kleine, zarte Erde zu zerpulvern, könnte dies ein wunderschöner Ort sein. Für uns alle - Spinnchen, Menschen, Ratten, entsprungene Rosen und was da sonst noch so alles kreucht und fleucht.

Am 21. Dezember ist Wintersonnenwende, die Erde vollführt ihr Swing-by-Manöver und schießt wie irre ins Weltall hinaus. Die Tage werden sehr schnell länger, die Schneeglöckchen schlüpfen aus dem welken Laub, die Weidenkätzchen blühen, die Hummeln fangen wieder an zu summeln, und all das geschieht, ob wir nun da sind oder nicht. Laß es also passieren und sieh einfach nur zu. Dann läßt die Welt im Gegenzug was mit dir passieren und sieht auch einfach nur zu.

"Eile mit Weile", sagt die Raupe zu Alice - Raupen sind zwar gar nicht weise, sehen aber manchmal so aus.

Gilt auch für Quantenphysiker.


Marianne Sydow am 24.11.2009

   
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