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Marianne Sydow
 
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Fanzines, Monster, Mutationen
 
von Marianne Sydow
 


Auch wenn diese Warnung sich zwischen den Stories versteckt - sie ist natürlich absolut ernst gemeint. Ich schrieb diesen Brief im Sommer 2006 an Kurt S. Denkena, den Herausgeber des Fanzines "SFN", damit er die Sache in Umlauf bringt.


Hallo, Kurt,

Du kannst Dir nicht vorstellen, was mir passiert ist! Ich bin echt total von der Rolle. Aber der Reihe nach:

Du weißt ja, daß ich eine riesengroße Sammlung von Büchern und Heften und sonstigem Kram habe - alles SF und Grusel und so´n Zeug, kurz: jede Menge bedrucktes Papier. Natürlich gehören dazu auch Fanzines. Und zu den Fanzines gehören ein paar Leute, die da furchtbar gerne mal ran möchten. Einige warten schon seit geraumer Zeit - mehr oder (meist) weniger geduldig - darauf, daß ich Ihnen irgendein Blättchen von neunzehnhundert-nanu fotokopiere. Klappt aber alles nicht, weil das ganze Zeug völlig unsortiert ist. Zur besseren Veranschaulichung schicke ich Dir ein Foto mit, das mein Dilemma zeigt: Fanzines bis zur Decke gestapelt.

Naja, wie das so ist: einer ist ganz besonders ungeduldig. Er hat mir schon ein paarmal angedroht, daß er mich besuchen und dann die Fanzines einfach selbst sortieren wird. Der Gedanke gefällt mir nicht besonders, denn so einen hatte ich vor eineinhalb Jahren schon mal zu Besuch, und der Erfolg der ganzen Aktion war, daß ich danach erst recht nichts mehr gefunden habe.

Nun gibt es viele Gründe, warum ich im Moment sowieso keinen Besuch gebrauchen kann. Schönes Thema, immer brauchbar: das Wetter. Noch bis Ende April war´s bei uns eisekalt, und da ich seit Mitte März kein Heizöl mehr hatte, konnte das Haus in aller Ruhe so richtig schön auskühlen. Hinten in der Sammlung hatte es man gerade noch 9 bis 10 Grad. Wenn ich ein Buch raussuchen mußte, brauchte ich Winterkleidung und die ganz warmen Pantoffeln.

Das hat den besagten Menschen auch eine ganze Weile ferngehalten.

Zweiter Grund: ich plage mich mit fürchterlichen Rückenschmerzen rum. Die werden vom Staubsaugen nicht besser. Also: Großreinemachen ist nicht drin. Im Flur hat sich im Laufe der Monate ein Trampelpfad herausgebildet. Links und rechts bilden sich bereits kleine Dünen aus Staub. Macht nix, sagte der nette Mensch, bei mir ist es auch nicht immer so ganz sauber. Mein Argument, bei mir sei es aber mittlerweile so dreckig, daß man glatt ´ne Staublunge kriegt (ich hustete dabei lang und ausdrucksvoll) wurde mit gutmütigem Gelächter zur Kenntnis genommen: der Mann ist Raucher - den schreckt mein Staub nicht im geringsten.

Also brachte ich meine Geheimwaffe ins Spiel: Spinnen. Ich mag die Burschen, und außerdem sind sie sehr nützlich als eifrige Kammerjäger. Sie halten mein Haus frei von allerlei Ungeziefer - absolut biologisch, garantiert ungiftig und noch dazu kostenlos. Ein paar von ihnen finden sich bei mir in jedem Raum, und ich gedenke nicht, sie aus purer Gastfreundschaft zu dezimieren. Macht nix, sagte mein Quälgeist, er hat nichts gegen Spinnen.

Ich verwies auf das Hochwasser in meinem Heizungskeller, auf die nicht mehr ganz zuverlässige Waschmaschine, schützte eine Autopanne vor, Familienbesuch, ein unheilbares Mißtrauen gegenüber Leuten, die in meiner Sammlung rumwühlen wollen, führte meinen höchst absonderlichen Lebensrhythmus ins Feld, das Nichtvorhandensein einer Badewanne, den Krach vom Reiterhof gegenüber und das gerade mal wieder ins Haus stehende Frühlingsmanöver der lieben Bundeswehr - nichts half, alle Argumente sind mittlerweile so abgenutzt, daß mir nichts anderes übrigbleibt, als mich in mein Schicksal zu fügen: Er wird kommen.

Na schön, sagte ich mir, wenn es sich nicht anders machen läßt, muß ich den Knaben eben auf andere Weise entmutigen, und ich beschloß, ihm plastisch vor Augen zu führen, auf welche Sisyphus-Arbeit er sich einzulassen gedachte. Wozu habe ich einen riesengroßen Büchersaal? Da kann man ´ne Menge Papier drin ausbreiten. Mein Schlachtplan bestand darin, einfach vor jeder Regalreihe drei Häufchen aufzustapeln, immer schön nach dem Alphabet - A bis C vor der ersten Reihe, D bis F vor der zweiten und so weiter. Ich hatte das schon mal mit den Comics gemacht und kannte die Wirkung: Es sieht wirklich nach sehr viel Arbeit aus (was es ja auch ist), und es hat damals jeden in die Flucht geschlagen. Und außerdem: was dann schon sortiert ist, ist wenigstens erstmal raus aus dem Rennen.

Also holte ich mir einen ordentlichen Stapel Fanzines und begann, das Zeug hübsch gleichmäßig in der Gegend zu verteilen.

Nun weißt Du ja selbst, daß es insbesondere in den 60ger und 70ger Jahren Leute gab, die eines nie kapiert haben: Niemand kauft etwas, das er nicht aussprechen kann, geschweige denn etwas, von dem er noch nicht mal weiß, wie es heißt, weil der Titel schlichtweg unleserlich ist. Sämtliche Geheimdienste der Welt könnten sich bei den Erfindern der zahllosen "Kunstschriften" damaliger Fanzines eine gehörige Scheibe abschneiden. Am schönsten wird´s natürlich, wenn man solche Blättchen alphabetisch einordnen möchte. Man sitzt da und rätselt. Man grübelt. Man kratzt sich den Kopf, reibt sich die Nase, zermartert sich das Hirn - es hilft nichts, die Hieroglyphen ergeben einfach keinen Sinn.

Einfachster Ausweg: ein Extrastapel für die Unleserlichen.

Aber dieser Stapel wurde immer größer!

Gut, dachte ich mir, versuche ich es eben anders herum. Ich griff mir so ein Blättchen und schlug es auf, im festen Vertrauen darauf, daß die stolzen Macher des Fanzines selbstverständlich irgendwo den Namen ihres gemeinschaftlichen Werkes nennen würden. Und das taten sie dann auch - leider in Form der mir bereits vom Cover ausreichend unsympathischen kryptischen Zeichen. Ich nahm das nächste Blatt - dasselbe in Grün (buchstäblich: es war ein Fanzine aus grünem Papier).

Ich muß gestehen: ich wurde allmählich ein bißchen hektisch. Ein Fanzine nach dem anderen, alle unleserlich, kryptisch, verschlüsselt, nur für Eingeweihte zugänglich. Ich dachte, mich laust der Affe.

Irgendwann erreichte ich den Punkt, wo ich den ganzen Krempel hinschmiß. Der Stapel der Unleserlichen war mittlerweile schon fast einen Meter hoch und drohte seitlich umzukippen. Ich hatte Hunger und Durst und die Nase gestrichen voll von all dem Staub und dem ganzen dusseligen Rest. Ich verzog mich vor den Fernseher und beschloß, für den Rest der Nacht keinen Finger mehr zu rühren.

Das Telefon klingelte, und es meldete sich der Mann, um dessentwillen ich diese ganze frustrierende Aktion gestartet hatte. "Ich komme dann am Sonnabend, so gegen Mittag", verkündete er fröhlich. "Ich bringe noch jemanden mit. Du kennst ihn nicht, aber ihr werdet euch sicher gut verstehen. Zu zweit werden wir die Sortiererei ganz schnell schaffen. Ist das nicht toll?"

Ich machte mir nicht die Mühe, ihm zu widersprechen - das hätte sowieso nichts genutzt. Ich ging seufzend zurück an die Arbeit.

Und der Berg der Unleserlichen wuchs und wuchs und wuchs. Längst waren es mehrere Stapel, die nach Höhe und Breite wie gigantische Wolkenkratzer aus der geradezu dörflichen Bescheidenheit der Leserlichen herausragten. Der Gedanke an das unweigerlich irgendwann nahende Stadium des Feinsortierens ließ mir den kalten Schweiß ausbrechen. Ich begann die Macher dieser Fanzines zu beschimpfen und zu verfluchen. Mordpläne geisterten durch mein Gehirn, während ich verbissen einen Stapel nach dem anderen herbeischleppte und auf die einzelnen Buchstaben verteilte - sofern wenigstens der Anfangs-Buchstabe zu erkennen war.

Gegen fünf Uhr morgens strich ich die Segel und ging schlafen. Im Traum irrte ich durch ein Berlin, in dem sämtliche Straßenschilder, Neonreklamen, Ladenschilder usw. aus unleserlichen Zeichen bestanden, so daß ich die größten Schwierigkeiten hatte, eine öffentliche Toilette zu finden.

Am nächsten Tag beschloß ich kurzerhand, die Sache anders anzupacken. Meine beiden Besucher wollten nur übers Wochenende bleiben, und sie kamen ja eigentlich nicht, um zu sortieren, sondern um zu lesen und zu scannen. Allzuviel würden sie innerhalb von eineinhalb Tagen sowieso nicht schaffen. Ich beschloß, erstmal die Leserlichen wenigstens nach Folgebuchstaben zu sortieren und dabei gleich die ganz großen Reihen auszusondern.

Ich machte es mir neben dem A-Stapel gemütlich und nahm das erste Fanzine zur Hand.

Das Fanzine war nicht leserlich.

Ich rieb mir die Augen, putzte meine Brille, setzte sie wieder auf und blickte auf das Fanzine.

Es war immer noch unleserlich.

Nun konnte es in der wütenden Eile, mit der ich in der vergangenen Nacht gearbeitet hatte, schon passiert sein, daß ich ein Unleserliches aus Versehen zu den Leserlichen gelegt hatte. So etwas kommt vor - kein Beinbruch, läßt sich korrigieren. Ich trug das unleserliche Fanzine zu seinen Artgenossen. Dann nahm ich mir erneut den A-Stapel vor. Das nächste Unleserliche. Ich trug es weg, nahm mir das nächste Fanzine vom Stapel - auch nicht lesbar.

Ich besah mir den gesamten A-Stapel - alle unleserlich.

Ich ging zum B-Stapel über.

Unleserlich.

Im C-Stapel waren immerhin einige Fanzines leserlich - ein knappes Dutzend, mehr nicht.

Ich verließ den Saal, stieg in mein Auto und fuhr einkaufen. Das würde mir guttun. Ich hatte die letzten Wochen fast ununterbrochen am Computer verbracht. Wahrscheinlich hatte ich mich dabei ein bißchen übernommen.

Es war sehr erholsam, mal etwas anderes als diese verflixten Fanzines zu sehen. Wirklich - ich fand es echt entspannend. Mir gefiel sogar die Musik, mit der man mich und die anderen Kunden berieselte - soviel zu meinem Gemütszustand.

Am Abend machte ich mich wieder über die Fanzines her. Diesmal begann ich mit C - mit den paar Leserlichen.

Sie waren keine Leserlichen mehr.

Okay, ich gebe zu, ich hatte diesmal eine ziemlich lange Leitung. Ich hätte früher drauf kommen müssen.

Ich ging dem Übel an die Wurzel und ging zu den Unleserlichen.

Das oberste Fanzine des betreffenden Stapels sah noch ganz normal unleserlich aus. Das darunter war dagegen bereits in einem fortgeschrittenen Stadium: Die Zeichen waren nicht einmal mehr kryptisch - sie waren bloß noch Punkte. Große, flatschige Punkte. Am schlimmsten war´s am Rand der Blätter. Zur Mitte hin waren wenigstens hier und da noch vage die Umrisse einzelner Buchstaben zu erkennen.

Ich saß da, in diesem großen Büchersaal, und blickte mit rotgeränderten Augen auf das Fanzine. Stand auf, hielt es ganz dicht unter eine Lampe, versuchte, noch irgend etwas zu erkennen, einen Absatz zu lesen, der eben noch so ausgesehen hatte, als könnte man ihn vielleicht entziffern - aus, nichts mehr, nur Punkte.

Und da wurde mir endlich klar, daß hier etwas ganz und gar Ungewöhnliches im Gange war. Das waren keine "Kunst"schriften und auch keine Alterserscheinungen - weder bei mir, noch beim Papier - sondern hier passierte etwas sehr Unheimliches.

Ich trug das Fanzine in mein Zimmer, stapelte ein paar Bücher links und rechts von meinem Mikroskop auf, damit das flappige Dingens eine ausreichende Stütze hatte, schaltete das Licht ein, stellte schön scharf, und was sah ich?

Um ehrlich zu sein: ich weiß es nicht. Ich interpretiere das, was ich erblickte, als kleine gefräßige Wesen, von Eiern umgeben, in verschiedenen Größen, als würden sie in den Eiern wachsen, bevor sie ausschlüpfen. Sie saßen an genau jenen Stellen, an denen eigentlich Buchstaben sein sollten, und mümmelten mit Feuereifer die Farbe in sich rein. Sie selbst sind offenbar von Natur aus durchsichtig. Aber wenn sie die Farbe fressen, werden sie dunkel. Sie bilden lauter kleine Kolonien, auf jedem Buchstaben eine - bloß daß der Buchstabe dann natürlich nicht mehr zu sehen ist.

Was nun? Krach schlagen, Alarm geben? Was für ein Gedanke! Farbefressende Monster in Zeiten von Vogel-Grippe, Ebola, BSE & Co.? Ein Horror-Szenario: Ich bin meine Sammlung los, ganz Buckau wird unter Quarantäne gestellt, Männer in schaurigen Schutzanzügen versauen uns die Feier anläßlich des 1060sten Bestehens unseres Dorfes, sämtliche Staubläuse vor Ort werden vorsorglich erschlagen, vorbeugende Bücherverbrennungen im ganzen Land, Hausdurchsuchungen und Desinfektions-Kommandos bei allen Fanzine-Sammlern - Hiiiiilfe!!! Also kein Seuchen-Alarm. Ich kehrte zurück in den Büchersaal und setzte mich zu meinen Fanzines.

Da saß ich nun, in diesem großen Raum voller Gruselkram, und starrte fassungslos auf das ganz konkrete Grausen, das um mich herum aufgestapelt war.

Mein erster Gedanke war, den ganzen Klumpatsch zu verkaufen - so schnell wie möglich. Aber die Zerstörung schritt viel zu schnell voran: Bis die Post das Zeug paketweise abgeliefert hätte, wäre auch das letzte Fanzine unlesbar geworden. Außerdem bin ich eine hoffnungslos ehrliche Haut: Ich hätte es niemals übers Herz gebracht, irgend jemanden mit diesen gefräßigen Mini-Monstern zu beglücken. Nicht auszudenken, was die Biester anrichten könnten, wenn...

Siedend heißer Schrecken überlief mich. Ich griff mir das nächstbeste Buch aus einem Regal und sah hinein. Ein mittlerer Steinbruch fiel mir vom Herzen - alles normal. Was mich natürlich zu der Frage führte, warum die Biester sich ausgerechnet auf den Fanzines tummelten.

Waren sie auf wirklich allen Fanzines?

Ich wetzte rüber in den Fanzine-Raum und blätterte ein paar Stapel durch, und siehe da: die meisten waren völlig ok. Ich war im ersten Anlauf an die ganz alten Fanzines geraten - da lag der Hase im Pfeffer! Das Ganze hatte offenbar irgendwie mit den alten Spiritus-Umdruckern zu tun. Die Zerstörung begann und endete mit diesen alten Dingern - gelbliches Papier, lilabläuliche Schrift. Und eben diese Schrift war manchmal ganz klar, öfter aber auch nicht. Näher am Rand tat sich am meisten - im Innern des Stapels war oft alles noch okay. Aber beim Auseinandersortieren entwickelte sich bei bereits infizierten Fanzines auf der Stelle das galoppierende Grausen.

Es mußte mit der alten Farbe zu tun haben. Ich erinnerte mich an eine alte Ausgabe von "Brehms Tierleben" in ich-weiß-nicht-wieviel-Bänden, die ich bei meinen Sachbüchern rumzustehen habe. Da stehen Tiere drin, die früher in jedem Haushalt zu finden waren und an die heute kein Aas mehr denkt, wie z.B. Zuckermilben auf Backpflaumen und Würmchen, die in Wein und sogar in Essig leben - Essig-Älchen. Warum soll es dann nicht auch etwas geben, das sich früher in billiger Farbe breitmachen konnte? Vielleicht war es nur der Spiritus, der sie in Schach gehalten hatte, und in den großen Druckereien waren die Dinger buchstäblich unter die Räder geraten. Aber in diesen alten, komischen Matrizen-Druckern - Himmel, ich hab sogar noch so ein Ding im Büchersaal rumzustehen, weil mein Mann es zum Kernstück eines kleinen Fan-Museums innerhalb der Sammlung machen wollte! Ich kratzte einen Rest Farbe von der Walze (im Nu waren meine Finger schwarz - irgendwie sind diese Drucker immer schmierig), und unter dem Mikroskop sah ich diese runden Dingerchen, aber alle inaktiv.

Spiritus - vielleicht war das die Lösung. Winzige Spuren mochten immer noch in der Farbe enthalten sein und die Monsterchen dazu verurteilen, still in ihren Eiern sitzen zu bleiben. Aber wenn dieses kleine bißchen Spiritus verdunstet, schlüpfen sie und vermehren sich in rasender Eile.

Ich machte die Probe aufs Exempel. Da ich keinen Spiritus griffbereit hatte, nahm ich die Flasche mit 80prozentigem, die ein Gast mal im Gemüsefach meines Kühlschranks vergessen hat (er behauptete steif und fest, er bräuchte das Zeug bloß zum Zähneputzen). Das Ergebnis war eindeutig: ein kleiner Hauch Alkohol, und schon schrumpften die Monster in sich zusammen und fielen zurück in ihren inaktiven Zustand.

Damit ist bewiesen: Alles halb so schlimm - den großen Seuchen-Alarm können wir uns wirklich sparen. Modernen Toner rühren sie sowieso nicht an, und auch bei den Farben sind sie wählerisch. Ich habe in aller Eile alle möglichen Bücher und Hefte durchgeblättert (mir natürlich vorher gründlichst die Hände gewaschen und mit Alkohol abgerieben) - alles paletti. Sie sind nur in den Fanzines zugange, und auch dort nur in den ganz alten, wahrscheinlich nur in einer einzigen Farbmischung - sicher ein ganz besonders billiges Fabrikat, denn Fanzine-Macher jener Zeit mußten sparsam sein.

Ich habe keine Ahnung, warum sie ausgerechnet in meiner Sammlung so aktiv sind. Auflösungserscheinungen bei den alten Spiritus-Umdruck-Fanzines haben wir schon früher beobachtet, aber wir dachten immer, das hätte was mit falscher Lagerung zu tun, mit dem Alter und der oft erbärmlichen Qualität des Papiers. Manchmal war es, als sei die Schrift einfach auf der darüberliegenden Seite klebengeblieben - lauter so komische Sachen.

Eines läßt sich mit absoluter Sicherheit sagen: Mein Mann war ein absoluter Anti-Alkoholiker. Wenn es einen Menschen gibt, der (zumindest in den letzten 28 Jahren) niemals eine Fahne hatte, dann war er das. Ich war früher nicht so abstinent. Und ich habe gequalmt wie ein Schlot. Vielleicht hat das alles zusammen die komischen kleinen Kerle in Schach gehalten. Aber jetzt, hier in Buckau, haben sie seit über sechs Jahren keinen noch so schwachen Hauch Alkohol oder Spiritus mehr erwischt. Nicht mal entsprechende Reinigungsmittel verwende ich, weil ich gegen das Zeug allergisch bin (was für ein Schicksal!)

Und da sind sie eben aufgewacht.

Es ist sehr unwahrscheinlich, daß das auch anderswo passiert. Irgendein bißchen Zeug kommt immer mal ins Spiel, und sei´s auch bloß vom Fensterputzen. Trotzdem:

Lieber Kurt, bringe bitte diesen Bericht irgendwie unter die Leute, speziell unter die Sammler, ganz speziell unter jene Sammler, die alte Fanzines besitzen.

Mein ernster Rat an alle: behaucht sie gelegentlich mit Alkohol, oder ihr werdet eines Tages euer blaues Wunder erleben!

Danke im voraus, tschüß und alles Gute

Deine Marianne


Soweit, so gut. Kurt S. Denkena ist selbst noch im Besitz eines solchen alten Druckers, weiß sogar über den Verbleib einiger Flaschen Druckerfarbe zu berichten. Da seine Fanzinesammlung aber nach seinen eigenen Worten offenbar in noch chaotischerem Zustand ist als meine, bedarf es einer größeren Expedition, um festzustellen, ob ein Befall vorliegt oder nicht. Er hat meinen Brief an René Moreau übergeben, der ihn in seinem nächsten EXODUS (ein Fanzine) samt einem Kurzbericht von KSD abdrucken wird. Vielleicht liegen ja inzwischen auch schon weitere Erfahrungsberichte anderer Sammler und Fanzine-Besitzer vor. Wer noch Spiritus-Umdruck-Sachen dazuliegen hat (z.B. alte Schülerzeitungen) und auffällige Veränderungen an ihnen beobachtet, sollte einem von uns schreiben, damit René in EXODUS (erscheint im Dezember) schon einen möglichst umfassenden Bericht geben kann. Weitere Informationen erscheinen je nach Bedarf und Dringlichkeit auch hier oder in Kurts SFN (noch´n Fanzine). Informationen bitte an:

Kurt S. Denkena,  e-mail:   IKUB-ksdenkena@T-online.de
René Moreau,  e-mail:        MoreauReneDN@aol.com
Marianne Sydow, e-mail:   villagalactica@yahoo.de

Tja, wer weiß, wo die kleinen Biester sonst noch so zugange sind. Ich gehe mal davon aus, daß man alle wichtigen Regierungsunterlagen längst digitalisiert hat...

10.9.06:

Kurt Kobler (e-mail K.Kobler@freenet.de, Herausgeber eines wunderbaren K.H. Scheer-Gedächtnisbandes. Näheres dazu unter: http://www.terranischer-club-eden.com/)
schreibt:
Hallo Marianne, heute war ich endlich auf Deiner Seite und habe mir auch die gruselige Story angesehen. Ich habe auch ein paar alte Zines, die damals in blau gehalten wurden und jetzt immer blasser und blasser und blasser werden. Wohl dann auch dieser Seuchenbefall.
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(©) Marianne Sydow 2006

 
 
 
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