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Die Höhlenkatzen von Deneb III
 
   
von Marianne Sydow
 
Deneb III
 


Deneb III
ist (wie unter diesem Stichwort nachzulesen) ein ziemlich ungastlicher Planet. Aber auf einem kleinen runden Kontinent namens Ada´inga herrscht trotzdem lebhaftes Treiben - wegen der berühmten, orakelspinnenden Höhlenkatzen (Bild Nr. 200).

Eigentlich ist die Heimat der Höhlenkatzen nur eine Insel.
Aber die Denebianer bestehen nun mal darauf, Ada´inga als "Kontinent" zu bezeichnen, und wir müssen sie uns ja nicht unnötig vergrätzen. Wie auch immer: Die Insel (Verzeihung: das Kontinentchen) wird von einem hohen, ringförmigen Gebirge umschlossen. Von außen donnert die Brandung gegen die Felsen - eine äußerst wilde Brandung, denn Ada´inga liegt sehr weit im Süden, in einer überaus stürmischen Gegend. Im Innern des "Kontinents" ist es dagegen mollig warm. Das liegt an den dort reichlich vorhandenen heißen Quellen. Man fühlt sich permanent wie in einem Dampfbad. Überall stehen Zelte, Hütten, Tempel, alle voll von geldgierigen Heilern jeder nur denkbaren Art. Die seltsamsten Wesen aus allen Teilen der Galaxis kommen an diesen Ort, wegen der Quellen und der Heiler, vor allem aber, um etwas über ihre Zukunft zu erfahren oder sich sonstwie orakeln zu
lassen.

Die Höhlenkatzen leben im Innern des Ringgebirges, in
Kammern aus reiner Jade. Diese Jade ist so schön, daß man sie anderenortes schleunigst abbauen und verhökern würde. Aber wegen der Katzen geht das nicht. Und niemand würde es wagen, den Katzen an den Kragen zu gehen.

Im Grunde genommen weiß man über die Höhlenkatzen von Deneb III so gut wie gar nichts. Sie sind intelligent, das steht fest, aber wie hoch ihre Intelligenz anzusiedeln ist, läßt sich nicht sagen. Man müßte mit ihnen reden können, lange und ausführlich, und viele Leute haben das auch schon versucht. Sie sind alle gescheitert. Manche haben sogar den Verstand verloren. Denn die Art und Weise, wie die Höhlenkatzen sich ausdrücken, ist so mysteriös und düster, so verschlüsselt und codiert, daß niemand schlau daraus wird. Sobald man denkt, man hätte es kapiert, sagt die betreffende Katze etwas, das die ganze Sache dermaßen auf den Kopf stellt, daß man wieder von vorne anfangen muß. Vielleicht wird jemand es eines Tages schaffen - es wäre zu hoffen. Aber einfach ist es nicht.

Es fängt schon damit an, daß man gar nicht so leicht an
diese Katzen herankommt. Denn die Katzen sind grün, die
Jade ist es auch, und so ist mitunter kaum festzustellen,
ob so eine Jadekammer überhaupt von einer Katze besetzt ist oder nicht - vor allem dann, wenn die Katze sich darauf versteift, völlig regungslos mit geschlossenen Augen dazusitzen. Es gibt Leute, die Führungen durch die Höhlen anbieten und von sich behaupten, sie wüßten, in welcher der unzähligen Kammern zu welchem Zeitpunkt eine Katze anzutreffen ist. Die meisten von ihnen sind Schwindler. Aber einige haben tatsächlich eine erstaunlich hohe Trefferquote. Es ist ziemlich offensichtlich, daß diese Leute irgendeinen Weg gefunden haben, die Katzen zu lokalisieren, sie anzulocken oder sich vielleicht sogar mit ihnen zu verständigen. Aber keiner von ihnen rückt mit seinem Geheimnis heraus.

Es heißt, daß die Katzen tatsächlich die Kraft haben, viele
Arten von körperlichen Leiden zu heilen. Nur sind sie nicht
immer dazu aufgelegt. Es heißt auch, daß sie die Zukunft
kennen, aber normalerweise und bei Lichte betrachtet sind ihre Sprüche genauso wenig konkret wie die aller anderen Orakel.

Wie kompliziert die Sache mit den Höhlenkatzen wirklich
ist, zeigt vielleicht folgende Geschichte, die man sich in
Otoks Kneipe nahe dem Raumhafen erzählt:

Eines Tages traf eine Gruppe von Fellana vom Planeten
Mintaka IV auf Deneb III ein. Sie hatten von den
Höhlenkatzen gehört, und da sie selbst von katzenartiger
Gestalt sind, waren sie zu dem Schluß gekommen, daß sie
diesen jadegrünen Geschöpfen in irgendeiner Weise
verbunden sein müßten.

Sie teilten sich auf und durchsuchten die Höhlen, bis sie
endlich auf eine Katze trafen. Und dann versuchten sie, mit ihr zu reden, von Katze zu Katze, sozusagen. Die
Höhlenkatze hörte sich alles höflich an und antwortete
dann in ihrer üblichen orakelhaften Weise.

"Seid ihr Höhlenkatzen freiwillig hier?" fragten die Fellana.
"Fühlt ihr euch wohl in dieser Umgebung? Ist das euer
Zuhause und seid ihr damit einverstanden, daß man euch
ständig mit Fragen belästigt?"

"Ich bin freiwillig hier und nicht damit einverstanden", sagte die Katze. "Und wenn ihr fragen wollt, so fragt. Ob ich euch antworten will, weiß ich nicht, aber ich werde es wohl tun."

Die Fellana guckten etwas irritiert drein und berieten sich
flüsternd untereinander. Die Höhlenkatze räkelte sich
derweilen in ihrer Jadehöhle, kratzte sich hinter den Ohren und sah nicht so aus, als interessiere sie sich für ihre Besucher.

"Wir können nicht so recht glauben, daß ihr euch hier auf
diesem Planeten entwickelt habt", sagte die Wortführerin
der Fellana schließlich. "Stammt ihr von hier, oder seid ihr
von irgendeinem anderen Planeten hierher gekommen?"

"Wir stammen von hier und sind hergekommen", sagte die
Katze gleichmütig.

Die Fellana berieten sich abermals.

"Haben die Denebianer euch hergebracht?" fragte die
Wortführerin. "Sie machen da draußen großartige Geschäfte. Ohne euch wäre das nicht möglich. Geben sie euch wenigstens etwas von ihrem Gewinn ab?"

Die Höhlenkatze betrachtete ihren Wanst und wackelte
ein wenig mit den Ohren.

"Wir leben", sagte sie nach einer gewissen Bedenkzeit.

Für die Fellana war "leben" durchaus nicht gleichbedeutend mit "wohlfühlen", ganz abgesehen davon, daß das Ohrenwackeln bei ihnen eine Geste des Unbehagens war. Hinzu kam diese seltsame Art, auf Fragen zu antworten.

Die Fellana gelangten zu dem Schluß, daß die Katzen an
diesem Ort, in ihren grünen Kammern, nicht wirklich ihre
Meinung äußern konnten. Vielleicht waren sie in Wirklichkeit nichts anderes als die Gefangenen der Denebianer. War es nicht eine Tatsache, daß niemand jemals eine Höhlenkatze außerhalb der Höhlen gesehen hatte? Wie wahrscheinlich war es, daß irgendeine Art von Katze freiwillig darauf verzichtete, irgendwann mal ins Freie zu kommen?

Kurz und gut: Die Fellana schnappten sich die grüne
Höhlenkatze und schleppten sie ins Freie (und sie hatten
ganz schön an ihr zu buckeln, denn es soll sich um ein
ausnehmend dickes Exemplar gehandelt haben). Draußen
setzten sie die Katze ab und beobachteten sie
erwartungsvoll.

Die Höhlenkatze saß einfach nur da und tat gar nichts.

"Du bist jetzt frei", sagten die Fellana. "Willst du dich nicht
ein bißchen umsehen?"

Aber die Katze rührte sich nicht von der Stelle.

Inzwischen kamen ein paar der überall herumlungernden
Heiler und Kurgäste herbei (manchmal war es schwer, die
einen von den anderen zu unterscheiden) und starrten die Katze an. Die Katze tat immer noch nichts. Immer mehr Leute strömten herbei. Die unerhörte Neuigkeit verbreitete sich wie ein Lauffeuer: Eine Höhlenkatze außerhalb ihrer Höhle - so etwas hatte es noch nie gegeben. Und schließlich erschien ein Trupp von Denebianischen Polizisten, die alle ziemlich wütend wurden, als sie die Bescherung sahen.

Als die Höhlenkatze die Denebianischen Polizisten
erblickte, rollte sie sich hastig auf die Pfoten und rannte
haste-was-kannste zurück in die Höhle, aus der die Fellana sie geholt hatten.

Für die Fellana war das der Beweis, der ihnen noch gefehlt hatte: Offensichtlich hatte die Höhlenkatze eine höllische Angst vor den Denebianern, und das konnte nichts anderes bedeuten, als daß die Katzen wirklich das waren, was die Fellana von Anfang an gedacht hatten: Gefangene. Arme, geknechtete Kreaturen, die es nicht wagen würden, die Wahrheit zu sagen, solange sie sich in Reichweite der Denebianer befanden.

Als der Abendnebel dicht und dick ganz Ada´inga bedeckte, schlichen sich die Fellana erneut in die Höhlen. Sie fanden "ihre" Katze in derselben Kammer, in der sie auch beim ersten Mal gesessen hatte, und wieder buckelten sie sie nach draußen (obwohl ihnen inzwischen hätte klar sein müssen, daß eine Höhlenkatze durchaus imstande ist, sich auf ihre eigenen Pfoten zu stellen). Diesmal brachten sie ihren Schützling geradewegs zu ihrem Raumschiff. Sie starteten in Windeseile, ehe ihnen die Denebianer dazwischenfunken konnten.

Nun waren sie also im Weltraum, aber die Katze reagierte
immer noch nicht. Die Fellana flogen mit ihr so schnell wie
möglich aus dem Deneb-System hinaus und nach Hause nach Mintaka IV. Natürlich versuchten sie die ganze Zeit hindurch, mit der Höhlenkatze ins Gespräch zu kommen, aber die Katze schwieg beharrlich. Sie saß einfach nur da, in ihrer schönen, gemütlichen Kabine, und tat und sagte rein gar nichts. Manchmal schien es sogar, als würde sie nicht einmal mehr atmen. Die Fellana boten ihr die besten Leckerbissen an, sie streichelten und umschmeichelten sie, schnurrten ihr ihre seltsamen fellanischen Liedchen vor - nichts half, die Höhlenkatze war unwiderruflich in Streik getreten.

Schließlich unternahmen die Fellana noch einen letzten
Versuch: Sie brachten die Katze in eine Höhle auf Mintaka IV. Dort setzten sie sie auf ein weiches Lager und bauten allerlei Schälchen und Tellerchen um sie herum auf, damit sie etwas zu essen hatte, und dann zogen sie sich zurück.

Als die Fellana am nächsten Tag zurückkehrten, war die
Katze immer noch da. Die Teller und Schälchen waren leer. Und die Höhle war grün. Sie wurde immer grüner im Laufe der Zeit. Die Katze saß manchmal darin, oft aber auch nicht. Niemand wußte, wo sie sich in der Zwischenzeit aufhielt. Aber nach einer Weile entdeckte man in einem anderen Gang der Höhle eine Kammer, die sich grün zu färben begann, und dann noch eine, und noch eine, und gelegentlich saß die Katze darin. Die Fellana versorgten sie nach wie vor mit allem, was sie brauchte, und die Höhlenkatze nahm es gelassen zur Kenntnis. Niemand sah sie jemals etwas essen, aber am nächsten Tag waren stets alle Teller und Schälchen leer.

Eines Tages stellten die Fellana fest, daß sie nicht mehr
nur eine Höhlenkatze hatten: es gab die Katze plötzlich in
mehreren Ausfertigungen, und als so ungefähr ein Dutzend beisammen waren (ein Dutzend jedenfalls, das die Fellana zu sehen bekamen), begann die eine oder andere gelegentlich etwas zu sagen.

"Graugrüner Granit gruselt sich in grindigem Grieß", war
der allererste Ausspruch, den die Fellana zu hören kriegten - und sie dachten lange und gründlich darüber nach, was das wohl zu bedeuten hatte. Wochenlang diskutierten sie an jedem Ort, zu jeder Zeit und in all ihren Medien über den Sinn und die Bedeutung dieser Worte, aber sie begriffen rein gar nichts.

"Lachende Lilien lieben linke Lippen", war der nächste
Spruch, und wieder grübelten die Fellana vergeblich vor sich hin.

Dann kamen:

"Quasselnde Quallen quieken auf quellenden Quanten."

"Sprudelnde Sprinkler sprinten über springende Spieße."

"Kauzige Katzen kratzen kleckernde Ketzer."

Und schließlich:

"Tuntige Tintlinge trotten tief durch trampelige Tröten."

Und das war zuviel für die Fellana. Aus und Schluß. Ende
der Fahnenstange. Sie hatten ein für allemal genug von den Höhlenkatzen.

Man muß sich mal vorstellen, wieviel Mühe diese Wesen
sich gegeben hatten. Und das alles für weiter nichts als so
ein paar dämliche Sprüche? Und es wurden immer mehr -
Sprüche wie auch Katzen. Kammer um Kammer bildete sich, grün, mit Katze drin, und alle Katzen plapperten dummes Zeug. Sie waren schier nicht mehr zum Schweigen zu bringen. (Und ganz nebenbei fraßen sie wie die Scheunendrescher.)

Die Fellana schnappten sich die Katzen (alle, die sie
finden konnten), stopften sie in ein Raumschiff und flogen
mit ihnen zurück nach Deneb III. Dort schleppten sie die
wohlgenährten, unablässig plappernden Viecher an den
staunenden Kurgästen vorbei zurück in die Höhlen, wo sie
hingehörten. Drehten sich um, marschierten in ihr Schiff und ließen sich nie wieder auf Deneb III blicken.

Die Höhlenkatzen blieben von all dem völlig ungerührt.
Kaum waren sie in ihrer angestammten Umgebung, da
verstummten sie, verschmolzen schweigend mit dem
jadegrünen Hintergrund, tauchten mal in dieser, mal in jener Kammer auf und zeigten sich gelegentlich geneigt, den einen oder anderen Spruch vom Stapel zu lassen. Aber von tuntigen Tintlingen und quasselnden Quallen haben sie nie wieder gesprochen.

P.S.: Auf Mintaka IV gibt es ein Gebirgsmassiv, das
niemand betreten darf. Es heißt, daß die Höhlen dort
auffallend grün sind - und irgendwie laut: In ihnen plappert es und plappert und plappert...


(©) Marianne Sydow, 20.10.04

 
 
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200 Höhlenkatze von Deneb III
 
   
 
 
 
 
 
   
 
   
 
       
 
 
     
 
   
     
     
 
 
 
 
 
 
 
 
 
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